Neues aus der BVfK-Rechtsabteilung:
Anschnallen, bitte!
Rückrufaktion mit zweifelhafter Zwischenlösung
Für allgemeine Verwunderung hat ein in der vergangenen Woche von einem BVfK-Mitglied an die BVfK-Rechtsabteilung herangetragene Fall mit folgendem Hintergrund gesorgt:
Der Fahrzeughersteller SEAT hat die Fahrzeugmodelle Ibiza und Arona der Modelljahre 2017 und 2018 offiziell zurückgerufen, da im Rahmen der serienbegleitenden Qualitätsbeobachtung offenbar festgestellt wurde, dass sich bei gleichzeitiger Belegung der hinteren mittleren und linken Sitzposition das Gurtschloss des linken Sitzes unvermittelt lösen kann. Dieses Problem könne laut Hersteller z.B. bei plötzlichem schnellem Spurwechsel und gleichzeitig voll besetztem Fahrzeug auftreten.
Sicherheit habe bei SEAT oberste Priorität, weshalb mit Hochdruck an einer technischen Lösung gearbeitet und diese in Kürze präsentiert werde – so heißt es zumindest in den öffentlichen Äußerungen des Herstellers. Die präsentierte Zwischenlösung ließ allerdings geringfügige Zweifel am beteuerten Stellenwert der Sicherheit aufkommen.
Es wird zwar davon abgeraten, den mittleren Sitz der Rücksitzbank zu verwenden, bis eine endgültige Lösung gefunden ist. Gleichzeitig erhalten Autokäufer vom Hersteller jedoch einen Kabelbinder zugesendet, mit dem das Gurtschloss fixiert werden könne sowie einen Aufkleber, der am Armaturenbrett befestigt werden und auf die Problematik hinweisen solle.
So mancher Kunde wollte das nicht hinnehmen, setzte eine zweiwöchige Frist zur Nachbesserung und drohte hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag an. Dass die Schwelle zur Erheblichkeit des Defekts überschritten sein könnte, wenn bei voller Besetzung des Fahrzeugs die Sicherheit nicht mehr für alle Insassen gleichermaßen gewährleistet ist, lässt sich gut vertreten.
Dem dann grundsätzlich möglichen Rücktritt muss jedoch eine angemessene und fruchtlose Nachbesserungsfrist vorausgehen. Die Angemessenheit ist dabei nicht anhand festgelegter Höchstgrenzen, sondern entsprechend der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Sofern die jeweiligen Umstände umfangreiche Nachforschungen oder die Entwicklung komplizierter technischer Maßnahmen erfordern, können auch Fristen von mehreren Monaten als angemessen anzusehen sein.
So dürfte die Rechtsprechung in Abgasskandal-Fällen herangezogen werden können (beispielsweise OLG Nürnberg, Urteil v. 24.04.2018, Az. 6 U 409/17), die regelmäßig davon ausgeht, dass solche Umstände bei der Fristbemessung eine Rolle spielen, die außerhalb des Einflussbereichs des Händlers liegen. Der Händler weiß nämlich zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Nachbesserung noch gar nicht, wie das Problem behoben werden kann und ist vom Entwicklungsstand der herstellerseitigen Lösung abhängig.
Anmerkung der BVfK-Rechtsabteilung
Droht ein Käufer während laufender Rückrufaktionen den Rücktritt an, dürfte insoweit aufgeatmet werden können, dass die Angemessenheit der zuvor erforderlichen Frist zur Nachbesserung meist großzügig auszulegen ist und der Händler demnach in den Grenzen des Zumutbaren die Endlösung des Herstellers abwarten darf.
Auch darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche dürften in der Regel daran scheitern, dass Konstruktions- und Produktionsfehler des Herstellers dem Händler nicht zugerechnet werden können, da der eine nicht Erfüllungsgehilfe des anderen ist. Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn der Händler übergeordnetes Wissen hat und den Käufer nicht ausreichend informiert und unterstützt. Dann kann ihm unter Umständen ein eigenes Verschulden zur Last gelegt werden.
In gleichgelagerten Fällen ist daher zu empfehlen, den Kontakt mit dem Käufer zu pflegen und regelmäßig beim Fahrzeughersteller den Entwicklungsstand abzufragen.
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